Demenz-Patienten: Ausnahmesituation Krankenhaus

Der Diskurs über Demenz ist gesellschaftspolitisch schon lange nicht mehr auszublenden, erst recht nicht in der Kranken- und Altenpflege. Die Zahl der Demenzkranken nimmt stetig zu, jährlich gibt es in Deutschland 300.000 Neuerkrankungen. Das macht sich auch in Krankenhäusern bemerkbar, alle Beteiligten sind mehr gefordert.

Ein aktueller Leitfaden zum demenzsensiblen Krankenhaus vom Saarbrücker Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft zeigt, dass man das Thema theoretisch ganz gut im Griff hat. Susanne Johannes und Jens Klöckener, Experten für Demenz am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen, berichten über den Stand der Dinge in der Praxis.

Ist das Alfried Krupp Krankenhaus auf dem Weg in Richtung demenzsensibles Krankenhaus?

Susanne Johannes: „In einem Krankenhaus ist vieles funktionsorientiert: Blutdruck messen, waschen, essen, Patienten zum Röntgen bringen oder in den Operationssaal. Das Haus hat seinen Rhythmus. Da ist es für Patienten, die nicht verstehen und sich eventuell sogar verweigern, schwierig. Es geht also für uns immer vorrangig darum, Demenz-Patienten frühzeitig zu erkennen und möglichst problemlos durch den Krankenhausalltag zu bringen. Ja, wir sind auf dem Weg.“

Hochbetagte wirken in der Ausnahmesituation Krankenhaus oft desorientiert und aufgrund von Bewusstseinsstörungen komplett überfordert. Fachlich sprechen Sie vom Delir. 

Jens Klöckener: „Tatsächlich hat ein Delir  extrem negative Konsequenzen, kann den Alltag der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen.“

Susanne Johannes: „Für die Menschen ist das ein lebensentscheidendes Moment, nicht selten ein Drama. Wir wirken natürlich sofort darauf hin, dass sehr sorgfältig auf die Medikation geachtet wird und die alten Menschen so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen. Das Bewusstsein für diese Problematik wächst in allen Bereichen.“

Jens Klöckener: „Wichtig ist es, dass sich die Angehörigen bei geplanten Operationen vorab melden und sich darüber informieren, wie Delir zu verhindern ist. Oft hilft ja schon ein Foto der Ehefrau oder des Ehemannes auf dem Nachttisch neben dem Bett.“

Wie gestaltet sich die Früherkennung von Demenz-Patienten konkret?

Jens Klöckener: „Wir machen bereits seit Jahren ein Screening in der Ambulanz und suchen anschließend die in Frage kommenden Patienten auf. Wir bieten dann eine Demenz-Testung an und überlegen weitere Schritte, beraten zudem die Angehörigen.“

Wer hilft Ihren Team nach der Aufnahme im Krankenhausalltag im Umgang mit den Demenz-Patienten? Susanne Johannes: „Die Gesundheits- und Krankenpfleger und die Ärzte sind unsere ersten Ansprechpartner. Sie versorgen täglich die Patienten. Wir sensibilisieren die Kollegen regelmäßig für das Thema und führen fachliche Auffrischungen zum richtigen Umgang mit Demenz durch. Als weitere Helfer an unserer Seite haben wir neben den meist jungen Leuten vom Bundesfreiwilligen-Dienst, die Grünen Damen und zunehmend Physiotherapie-Schüler, die erkannt haben, dass sie in ihrem Berufsleben häufig mit demenziell beeinträchtigten Menschen umgehen werden.“

Heißt das, die Akzeptanz des Themas wächst?

Jens Klöckener: „Wer bei uns arbeitet, kommt um die Themen Demenz und Delir gar nicht mehr herum. Wir haben schon vor Jahren für das Demenzmanagement das Konzept „Blauer Punkt“ eingeführt. Dadurch können wir der besonderen Hilfe- und Pflegebedürftigkeit demenzkranker Menschen entsprechen. Ich denke, wir haben mittlerweile eine große Akzeptanz bei den Mitarbeitern.“

Das hört sich nach einem hohen Arbeitsaufwand an.

Susanne Johannes: „Das liegt im Wesen der Krankheit begründet. Demenz erzeugt Verunsicherung. Das alltägliche Leben der Betroffenen und der Familien ändert sich radikal. Wir haben inzwischen zwei Selbsthilfegruppen im Haus.

Einmal pro Woche kommt der Geriater, mit ihm visitieren wir zusammen die Patienten. Dazu kommen Schulungen und unzählige Beratungen, die allesamt kostenfrei sind. Von 100 Angehörigen haben 95 Fragen, die wir beantworten. Auch sie müssen erst lernen mit der Demenz der Eltern oder des Ehepartners zu Recht zu kommen. Wer möchte, bekommt von uns eine Schulung. Ein hoher Arbeitsaufwand? Ja, einer der sich lohnt.“

 

Kontakt: Demenzberatung am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen

 

 

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